Hohenwittlingen
Gefängnis für Täufer in der Zeit von 1560 bis 1617
"Die unruhige Zeit Martin Luthers bescherte Württemberg nicht nur einen einzigen neuen Glauben, sondern einen langanhaltenden Streit um die richtige Auslegung des neuen Testamentes zu den zwei noch verbliebenden Sakramenten des Abendmahls und der Taufe.
Diese Seite
... dient der Information zu einer Gedenktafel, die am 9. September 2001 im Rahmen eines ökumenischen Gottesdiensts auf dem Hohenwittlingen enthüllt wurde. Der Initiator einer Ausstellung im Uracher Museum im Jahre 1995, Dr. Dr. Bütterlin aus Münsingen, stellte uns dankenswerterweise die Tafeln der Ausstellung zur Verfügung, sodass alle Bildtafeln und Texte der Ausstellung hier ebenfalls zu sehen sind.
Täufer, Wiedertäufer, Mennoniten, Amische, Hutterer
– sie glaubten allein dem Evangelium und wurden dafür von den Amtskirchen beider Konfessionen verfolgt. Festgehalten sind die Schicksale vieler Märtyrer unter ihnen im Märtyrerspiegel, der 1659 in Dortrecht in Holland zum ersten Mal gedruckt wurde.
Auch auf der Burg Hohenwittlingen bei Bad Urach am Rande der Schwäbischen Alb wurden von 1560 bis 1617 viele Männer aus württembergischen Täufergemeinden gefangengehalten, unter ihnen die Vorsteher Paul Glock und Mathias Binder.
1995 wurde dazu im Stadtmuseum von Bad Urach eine Ausstellung mit Fotos von historischen Dokumenten von dem aus der Region stammenden Historiker Dr. Dr. Rudolf Bütterlin gezeigt.
Am 9. September 2001 wurde auf dem Hohenwittlingen im Rahmen eines Gottesdienstes eine Gedenktafel enthüllt.
Jetzt in 2020 geht dazu endlich die Webseite hohenwittlingen.de online. Dr. Dr. Bütterlin tat dazu die von ihm archivierten Tafeln der Ausstellung zur Verfügung gestellt, die hier zum ersten Mal nach der Ausstellung 1995 wieder öffentlich gezeigt werden können.
Schon 2013 besuchte eine Gruppe Hutterer die Gedenktafel auf dem Hohenwittlingen, vielen Dank an die Südwestpresse für den Zeitungsartikel (Link) dazu.
Wenn die Webseite Besucher aus nah und fern auf den Hohenwittlingen bringt oder die Information nach Hause auf den Bildschirm, kommt diese Wolke der Zeugen nach Hebr. 12, 1 wieder in den Blick. Das Gedenken an die Standhaftigkeit im Glauben und das Leiden von Paul Glock, Mathias Binder und vielen ihrer Mitbrüder und Glaubensschwestern soll uns im Glauben stärken und zur Nachfolge Jesu einladen.
Diese Webseite ist auch ein Dank an Familie Dennis und Mary Weaver in Fredericksburg in Ohio, einer Amishen Familie, die ich Ende August 1982 eine Woche lang besuchen durfte. In einem Gottesdienst in ihrer Scheune, der drei Stunden lang dauerte und drei Predigten beinhaltete, las ich im Gesangbuch zum ersten Mal von Michael Sattlers und seiner Frau Zeugnis und Ende in Rottenburg am Neckar. Das war der Anfang des Wegs zu den Täufern auch in unserer Region.
Reutlingen, im Mai 2020 Hansjörg Schrade
PS: Besuchern aus der Ferne helfen wir gerne bei der Planung ihrer Tour auf den Hohenwittlingen – über ihre Kontaktaufnahme freuen wir uns sehr.
Ausstellung
Die Ausstellung im Stadtmuseum Klostermühle Bad Urach 1995
Kolberg
Die Wiedertäufer aus Kolber werden im Jahr 1528 'ernstlich verwarnt' und deren Prediger Jörg Seitz aus Ulm aus dem Land verwiesen.
Andreas Kiser, Forstlagerbuch von 1684, HStA Stgt. H107
Amische Mennoniten
Die heute in den USA lebenden amischen Mennoniten sind Abkömmlinge jener seit 1712 ausgewanderten und ursprünglich aus Württemberg stammenden Wiedertäufer. Ihren Namen leiten Sie ab von den beinden "Vätern" Menno Simons (1496 - 1561), einem aus Friesland stammenden vormaligen katholischen Priester und Leiter der niederländischen Wiedertäufer im 16. Jahrhundert sowie von Jakob Amann (1644 - 1730), dem Patriarchen der Wiedertäufergemeinder Markirch im Elsaß ab.
Das Leben in den heutigen Gemeinden der amischen Mennoniten in den USA verläuft noch immer nach den seit nunmehr 400 Jahren gültigen Regeln, nunmehr freilich mit staatlicher Duldung. Vom Militärdienst und von den Zwängen der staatlichen Sozialversicherung sind die Wiedertäufer befreit. In ihren eigenen Schulen wird noch immer "Pennsylfaanisch-Deitsch" gesprochen. Regelmäßig kommen Pilger über den Atlantik, um die "Märtyrerstätte" auf Hohenwittlingen bei Bad Urach zu besuchen.
In der Bevölkerung
...hatten die württembergischen Wiedertäufer gegen Ende des 16. Jahrhunderts nicht nur offenbar zahllose Anhänmger, sondern auch großes Ansehen. 1574 heißt es in Gündelbach, die Predigt der Wiedertäufer sei nicht schlecht. "Leben und Lehre seien beieinander".
Hans Wender Dägker
Untervogt von Urach berichtet am 10. Oktober 1594 über den Häftling Simon Kräß aus Gründelbach: "liegt daroben in das dreizehend jar, ist glichwohl hiezwischen zum andern oder dritten mal usser dem land geführt worden, aber allweg wiederkommen".
Burgvogt Claudius Robert
begleitet auf herzoglichen Befehl im Jahr 1596 die Häftlingen Simon und Hans Dauber zum Gottesdienst in die wittlinger Kirche. Der Pfarrer klagt, daß die übrigen Kirchgänger abgelenkt werden, da die Häftlinge 'mit verwendung des Kopfes still widersprechen'. Robert bekennt, daß alle Bekehrungsversuche fehlgeschlagen seien. Er schlägt daher vor, die Inhaftierten 'bei der Meliorisation der Wiesen' zu beschäftigen, da er 'Bickel und Haue' als tauglicher als die Bibel erkenne.
1603: 'Simon Kreß und Hans Dauber, die viljärige verhafte wiederteufer, bleiben noch uf irem alten verstockten irrweg und ist iretwegen kein besserung zu hoffen'.
1617: 'Hans Dauber wiederteufer ligt noch allda in verhaftung'.
Wiedertäuferordnung vom Jahr 1536
Nach der Wiedertäuferordnung vom Jahr 1536 gilt für alle aufgegriffenen Wiedertäufer folgender Fragenkatalog:
- Teilnahme am Bauernkrieg
- Zeit, Ort, Teilnehmer, Leiter und Anlaß der Wiedertaufe
- Stellung zu Kindertaufe, Abendmahl, Eidschwur, Christlichkeit der Herrschaft, Teilnahme am Krieg, Gehorsam gegenüber der Obrigkeit
- Stellung zur Gottessohnschaft und zum ausreichenden Verdienst Christi
- Bereitschaft zu oder Verweigerung des Widerrufs
Wer widerruft, soll unter etlichen Auflagen begnadigt werden. Für den Rückfall werden Leib- und Lebensstrafen angedroht.
Gegen die Lehrer der Wiedertäufer sei "mit ernst nach gestalt der sachen am leib" härter vorzugehen.
Die Ordnung wird fortan unter dem zunehmenden Einfluß von Johannes Brenz allenfalls gegen die Prediger und auch gegen diese nur fallweise angewendet.
Georg Geer
aus Hengen, Sohn des 1594 verstorbenen Hengener Pfarrers Stephan Geer, wird im Jahr 1618 "Diener des Wortes" der Täufergemeinde Alecowitz bei Brünn in Mähren, während sein Bruder wie schon der Vater im württembergischen Pfarrdienst stand. Die unmittlebare Nachbarschaft Hengens zum Hohenwittlingen legt den Verdacht nahe, daß sich der emigrierte Geer von Jugendeindrücken hat leiten lassen.
Bereits 1540 hatte in Lauffen ein Marx Rausamer aus Hengen Urfehde schwören müssen, da er "der Wiedertäfersecte angehangen".
Georg Müller
Pfarrer in Wittlingen, bestätigte im Jahr 1583 regelmäßige Besuche auf der Festung. "Dies ist vermeldt, das man sehe, der Pfarrherr tue sein Amt und nichts versäume. Weil es aber nichts hilft, muß mans Gott befehlen". Die Gefangenen Simon Kreß und Moritz Hübsch verharren "gar verstopet auf ihrer opinion". 2 Jahre später berichtet er resignierend: "Ist bisher nichts Fruchtbares bei ihnen ausgericht".
Martin Kolbrett
aus Böhringen zieht 1617 zu den Wiedertäufern nach Mähren, doch kehrt er bereits 10 Wochen später enttäuscht zurück. MIt den Lebensbedingungen in der Kommune war er nicht einverstanden. Nach seiner Rückkehr "hat er sich mit einer armen Wittib verheiratet und hält sich nicht zum besten. Er ist dem Vogt zu Urach angebracht".
Adam Hornickel
aus Heiningen, 5 Jahre Häftling auf dem Hohenwittlingen, wird im April 1564 des Landes verwiesen. 5 Jahre später bitten seine verarmten Schwiegersöhne den Kirchenrat um Überlassung von Hornickels Vermögen. Dem Gesuch wird erst 1570 entsprochen. Zur Auszahlung kommt freilich nur ein kleiner Rest, da die gesamten, von den örtlichen Kellern ermittelten Kosten der Verhaftung und Gefangenschaft in Abzug gekommen waren.
Paul Glock
aus Rommelsbach befindet sich in den Jahren 1558 bis 1576 auf dem Hohenwittlingen in Haft. Viele seiner währen der langen Haft an Christoph Achtznit, den Vorsteher der Wiedertäufergemeinde Stignitz, an den "Vorsteher" Leonhard Lanzenstil, Peter Walpot, seinen Schwager Wendel Müller oder an die Baumwollspinnerinnen in Niembschitz gerichteten Briefe sind im mährischen Landesarchiv Brünn sowie im evangelischen Gemeindearchiv in Preßburg (Bratislava) erhalten geblieben. Diese Briefe stellen den wichtigsten Inhalt des "Märtyrer-Spiegels", der von den amerikanischen Mennoniten heute für Lesungen während des Gottesdienstes verwendet wird.
Caspar Wild
Rat Herzog Ludwigs, stellte im Jahr 1570 Berechnungen für die Verköstigung der inhaftierten Wiedertäufer an. Er geht von "mindesten 100 Gefangenen" aus, die jährlich einen Aufwand von 5000 Gulden verursachenn. Für diesen Aufwand soll nach seiner Empfehlung das Vermögen der Inhaftierten herangezogen werden.
D.Wilherlm Bidembach
Der Hofprediger Herzog Ludwigs rät wie vor ihm Johannes Brenz von der Todesstrafe ab, da dadurch die Bekehrung unmöglich werde.
Diese Straf sei zudem grausam, alttestamentlich und weder aus der Lehre der Apostel noch der Kirchengeschichte zu rechtfertigen. Man habe gegen die Lästerer gebraucht "excommunication, deportatio et relegatio". Die einfache Landesverweisung aber lehnt er ab, da man "den Wolf nicht in einen anderen Pferch schickt". Auch das Aushauen lehnt er ab; so bleibe nichts anderes als die Haftstrafe, worfür auch Luther sei. Zudem könne dann auf die Inhaftierten eingewirkt werden.
Urach, 10.01.1553
Salomon Jud, Schulmeister aus Stetten und der 13-jährige Sohn des Arztes Salomon Jud waren auf fürstlichen Befehl bei Esslingen "niedergeworfen worden" und erklären beim Verhör in Urach, dass sie keine Kenntnis über die Besucher des inzwischen entmachteten Rates Hans Konrad Thumb in Stetten hätten, so auch keinen "können, der Schwenckfeldt haiße, wie lang es seie, das er zue stetten gewest".
Erlass Herzog Ferdinands I.
vom 17. August 1524 über die Aburteilung aufgegriffener Ketzer. Verdächtige sind durch Tehologen zu examinieren und nach Überfühgrung als Ketzer dem "weltlichen Schwer" zur Exekution auszulifern.
Text ab Zeile 4:
Es sey auch bey euch wol geacht die urteil gegen und wider den lutherischen pauren, so zu Aurach gefangen gelegen, were anderst wi pillich strenger zu straf seines leibs und lebens ergangen.
Die österreichische Regierung setzte die Anhänger Luthers und Zwinglis, brandschatzende Bauern sowie die Wiedertäfer mit "gemeinen Rechtsbrechern" gleich.
Clas Miller
Burgvogt auf Hohenwittlingen, wird im Jahr 1608 als "anabaptismisuspectus" beschuldigt, nachdem er den Häflingen Spaziergänge außerhalb der Festung ohne Fußketten erlaubgt hatte.
Der Geistliche Verwalter in Urach Georg Ruelin legt am 12. September 1577 dem Kirchenrat eine Rechnung vor, nach der für die auf dem Hohenwittlingen in der Zeit zwischen 1559 und 1577 inhaftierten Wiedertäufer an "Unkosten und Atzung" 3341 Pfund württembergischer Währung angefallen seien. Rueling bittet um einen Entschluss zur Erstattung dieser Kosten.